Die Aufarbeitung der Vergangenheit aus japanischer
Sicht Toru Kumagai
Oswiecim, am 8. Juni 2007
Internationale Jugendbegegnungsstaette in
Oswiecim / Auschwitz
(organisiert vom Internationalen Auschwitz-Komitee)
1
Einleitung
Dobry Wieczor.
Panie i Panowie,
Panie Szsuter, Panie Heubner,
Nazywam sie Toru Kumagai i jestem japonskim
dziennikarzem.
Bardzo dziekuje za danie mi szansy na wygloszenie
tutaj przemowienia.
Prosze wybaczyc, ze nie jestem w stanie wyglosic
go w calosci w jezyku polskim.
Mowie jedynie po japonsku, niemiecku, angielsku
i francusku.
Meine Damen und Herren,
ich moechte mich zunaechst herzlich bedanken,
dass Sie mir eine Gelegenheit gegeben haben,
an diesem wichtigen Ort fur die Aufarbeitung
der Geschichte einen Vortrag zu halten.
Ich kam hierher zum ersten Mal im Sommer
1989, um ein Fernsehprogramm ueber die Aufarbeitung
der Vergangenheit zu produzieren. Ich wurde
damals vom ueberdimensionalen Ausmass des
Verbrechens der Nazis tief entsetzt und erschuettert.
Mein zweiter Besuch war im Mal 1995, und
ich habe Herrn Tadeusz Szymanski interviewt.
Seine Erfahrungen als ehemaliger Haeftlinge
haben mich sehr betroffen gemacht.
Es ist mein dritter Besuch in Oswiecim heute.
Aber jedes Mal wenn ich hierher komme, fuehle
ich mich erneut vom Erschrecken bedrueckt,
was die Menschen den anderen Menschen antun
koennen. In diesem Sinne ist Auschwitz ein
Mahnmal nicht nur fuer Europa sondern auch
fuer die gesamte Menschheit.
Ich moechte mich Ihnen kurz vorstellen..
Ich bin in Tokio geboren und habe in Tokio
Volkswirtschaftswissenschaften studiert.
Ich habe 8 Jahre beim japanischen oeffentlich-rechtlichen
Fernsehsender NHK (Japanisches Fernsehen)
als Redakteur und Korrespondent gearbeitet.
Ich war auch als Auslandskorrespondent in
Washington DC taetig.
Seit 17 Jahren wohne ich in Munchen und arbeite
ich als freiberuflicher Journalist fuer verschiedene
japanische Medien. Bisher habe ich 8 Buecher
ueber verschiedene Aspekte von Deutschland
in Japan veroeffentlicht.
In diesem April habe ich in Japan ein Buch
ueber die Aufarbeitung der Vergangenheit
der Deutschen veroeffentlicht.
Die Aufarbeitung der Vergangenheit in Deutschland
war und ist eins der wichtigsten Themen fuer
mich. Ich habe zahlreiche Artikel zu diesem
Thema in Japan veroeffentlicht und Vortraege
gehalten.
2
Was kann man von der Auseinandersetzung mit
der Geschichte lernen?
Es war im Jahr 1979, dass ich die erste Begegnung
mit den Bemuehungen der Deutschen hatte,
sich mit der Vergangenheit auseinander zu
setzen. Der Anlass war ein deutsches Schulbuch.
Damals war ich noch Student und habe fuer
die Tochter einer japanischen Familie, die
5 Jahre in Deutschland verbracht hatte, Nachhilfeunterricht
gegeben. Da sie in Deutschland an einer deutschen
Schule gelernt hatte, brauchte sie Hilfe
im Japanisch. Das Maedchen hat mir ein Schulbuch
gezeigt, das sie beim Geschichtsunterricht
in Deutschland benutzt hatte.
Da habe ich zum ersten Mal bemerkt, wie detailliert
und umfangreich deutsche Schueler ueber das
dunkle Kapitel ihrer Geschichte informiert
werden. Das Schulbuch schilderte mit grauenvollen
Fotos und Augenzeugenberichten, wie das verbrecherische
Nazi-Regime den beispiellosen Voelkermord
in die Tat umsetzte.
Diese Erfahrung machte mir bewusst, wie wenig
ich in der japanischen Schule ueber den Zweiten
Weltkrieg und die Greueltaten an der asiatischen
Bevoelkerung durch die japanische Armee gelernt
hatte. Der Geschichtslehrer hatte nur ganz
kurz uber den Zweiten Weltkrieg unterrichtet.
Im japanischen Schulbuch war das Verbrechen
der Japaner waehrend des Krieges nicht erwaehnt.
Ich wollte genauer wissen, warum sich die
Deutschen so intensiv mit der Vergangenheit
auseinander setzen
Nach dem Studium wurde ich Fernsehjournalist.
Ich habe im Jahre 1989 zusammen mit einem
japanischen Regisseur ein einstuendiges Fernsehprogramm
uber die Bemuehungen der Deutschen, sich
mit der Vergangenheit auseinander zu setzen,
produziert. Fuer dieses Programm habe ich
3 Monate in Deutschland und Polen recherchiert
und die Dreharbeiten gemacht.
Bei dieser Recherche habe ich die Aktion
Suehnezeichen besucht und Herrn Heubner kennengelernt.
Mit Hilfe von Herrn Heubner und Frau Helga
Sibaei konnten wir eine Gruppe der deutschen
Schueler von einer Berufsschule in Berlin
begleiten, die eine Studienreise zur Gedenkstaette
Auschwitz gemacht hat. Mit den Schuelern
haben wir im Haus der Begegnung in Oswiencim
gewohnt und viel mit ihnen gesprochen.
Wir konnten im Programm detailliert darstellen,
wie deutsche Jugendliche ueber die Verbrechen,
das unter dem deutschen Namen begangen wurden,
nicht nur durch die Besichtigung des Museums
sondern auch durch die Arbeit und das Gespraech
mit den ehemaligen Haeftlingen gelernt haben.
Ich habe bemerkt, dass es fuer manche empfindliche
Schueler hart war, sich mit den grauenvollen
Tatsachen auseinander zu setzen. Gleichzeitig
habe ich gelernt, wie wichtig es ist, die
Vergangenheit nicht nur von Buechern und
Filmen zu lernen sondern auch durch Arbeit
vor Ort und Gespraeche mit den ehemaligen
Haeftlingen zu verinnerlichen.
In unserem Dokumentarfilm haben wir auch
ueber die Schulbuchkonferenz zwischen den
deutschen und polnischen Historikern, den
Inhalt des Schulbuchs und die Strafverfolgung
der Nazi-Verbrecher berichtet. Ich habe eine
polnische Professorin in Warschau interviewt,
die ich bei der Schulbuchkoferenz kennengelernt
hatte.
Sie war 15 Jahre als als sie ins Konzentrationslager
Auschwitz-Birkenau geschickt wurde. Sie zeigte
mir die taetowierte Haeftlingsnummer und
die Wunden durch Folter am Arm. Es war das
erste Mal, das ich nach dem Interview geweint
habe. Dieses Erlebnis hat bei mir den Schrecken
der Gewaltherrschaft tief eingepraegt.
Auch danach habe ich mehrmals mit den ehemaligen
Haeftlingen gesprochen und Gedenkstaetten
besucht. Insbesondere hat mich die Gedenkstaette
Yad Vashem in Jerusalem, die ich zweimal
besucht habe, betroffen und nachdenklich
gemacht.
Manche Deutsche wundern sich, warum sich
ein Japaner fur die Aufarbeitung der deutschen
Vergangenheit interessiert.
Wir koennen den beispiellosen Voelkermord
an den Juden und die Verfolgung der anderen
Opfer durch die Nazis mit den Verbrechen
der japanischen Armee in Asien nicht vergleichen.
Japanische Soldaten haben zwar asiatische
Bevoelkerung und Kriegsgefangene zum Teil
schon brutal misshandelt, und starkes Gefuehl
der Diskriminierung gegen Chinesen und Koreaner
war in der japanischen Bevoelkerung verbreitet.
Asiatische Bevoelkerung wurde zum Teil nach
Japan verschleppt, zur Sklavenarbeit fuer
japanische Unternehmen gezwungen, und manche
Kriegsgefangene als Versuchskaninchen fur
verbrecherische Menschenversuche der Spezialeinheit
fur biologische Kampffuehrung missbraucht.
Aber in Asien gab es keinen Voelkermord in
den fast industrialisierten Toetungsanlagen
wie in Auschwitz-Birkenau oder Treblinka,
mit dem Ziel, einen bestimmten Teil der Bevoelkerung
zu vernichten.
Die japanische Armee hatte keine vergleichbare
Einheit wie Einsatzgruppe, die darauf spezialisiert
war, nach der Eroberung des Gebiets einen
bestimmten Teil der Bevoelkerung zu vernichten.
Es gab keine klar definierte Rassenideologie
wie bei den Nazis, die zum Voelkermord gefuhrt
hat.
Ich beschaeftige mich trotzdem mit der Aufarbeitung
der Geschichte in Deutschland, weil ich gerne
wissen moechte, ob es einem Volk gelingen
wird, das Vertrauen der Opfer zuruck zu gewinnen.
Die Frage, ob eine Annaehrung fuer zwei Voelker
nach einer menschlichen Katastrophe moeglich
ist, betrifft nicht nur die Deutschen, sondern
uns auch.
Auch wenn wir Japaner keinen Voelkermord
begangen haben, haben wir auch den anderen
Voelkern grossen Schmerz zugefuegt. Ich versuche
immer herauszufinden, ob wir Japaner von
den Bemuehungen der Deutschen, sich mit der
Vergangenheit auseinander zu setzen, etwas
lernen koennen.
Der folgende Punkt ist sehr wichtig. Wir
koennen das, was die Deutschen fuer die Aufarbeitung
der Vergangenheit tun, nicht hundertprozentig
nach Asien uebertragen und implementieren,
weil die geschichtliche Entwicklung, die
politische Situation und die Mentalitaet
der Voelker anders als in Europa sind.
Trotzdem finde ich manche Elemente lehrreich
fur uns. Durch Recherche uber die Bemuehungen
der Deutschen habe ich gelernt, was wir Japaner
in den letzten 60 Jahren versaeumt haben.
Es zeigt sich an dem Ergebnis des Umgangs
mit der Vergangenheit. Auch wenn ein Land
keinen Voelkermord begangen hat, muss es
sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen.
Jedes Land muss selbst bestimmen, wie es
mit der Geschichte umgehen will.
Mit der sogenannten Globalisierung gewinnt
meines Erachtens die Aufarbeitung der Vergangenheit
sogar an Bedeutung, weil die internationale
Abhaengigkeit steigt.
Wie sind die Beziehungen der Deutschen und
Japaner zu ehemaligen Opfervoelkern heute
im Licht des Geschichtsverstaendnisses?
Ich stelle fest, dass die Deutschen heute mehr Vertrauen der ehemaligen Opfer als wir Japaner geniesen. Im Bezug auf die Aufarbeitung der Vergangenheit ist die Situation in Asien viel angespannter als in Europa. Das Nationalinteresse Japans ist sogar durch den Konflikt um das Geschichtsverstaendnis mit den Nachbarlaendern gefaehrdet.
Woher kommt dieser Unterschied ?
In den letzten 60 Jahren haben sich die Deutschen
in verschiedenen Bereichen mit der Vergangenheit
auseinander gesetzt.
Ich habe das Gefuehl, dass der Eindruck unter
den Nachbarlaendern wachst, dass Deutschland
in die europaeische Wertegemeinschaft tief
eingebettet ist und keinen Alleingang mehr
wagen wird.
Das polnische Volk hat unter der deutschen
Besatzung sehr gelitten. Zahlreiche Polen
wurden ermordet, viele Staedte und Doerfer
zerstoert. Ich habe den Eindruck, dass der
groesste Teil der polnischen Gesellschaft
trotzdem den Wunsch von vielen Deutschen
akzeptiert hat, eine freundliche Beziehung
wiederaufzubauen. Ich bewundere und begruesse
diese mutige Entscheidung des polnischen
Volks.
Ich weiss, dass die Aufarbeitung der Vergangenheit
niemals perfekt sein und kein Ende haben
kann. Es gibt immer noch vergangenheitsrelevante
Probleme in Deutschland heute, die angegangen
werden muessen.
Die Gewalttaten und Delikte der Rechtsradikalen,
das Phaenomen ?Martin Walserg, der Anstieg
des Stimmenanteils der rechtsradikalen Parteien
bei manchen Landtagswahlen in den neuen Bundeslaendern,
der steigende Antisemitismus im bestimmten
Teil der Gesellschaft sind nur Beispiele.
Ich weiss, dass manche juedische Mitburger
die Entwicklungen in den letzten Jahren besorgt
verfolgen.
Ich finde die Ergebnisse der Meinungsumfragen, die andeuten, das fremdenfeindliche Gefuehle in den neuen Bundeslaendern immer noch in bestimmten Teilen der Bevoelkerung verbreitet sind, schockierend. Ich kann mir vorstellen, dass manche Polen mit dem Verhalten der bestimmten Deutschen nicht zufrieden sind.
Trotzdem stelle ich fest, dass sich die Deutschen
mit der Vergangenheit bewusster und gezielter
als wir Japaner beschaeftigt haben. Deswegen
sind die Beziehungen der Deutschen mit den
Nachbarlaendern und ehemaligen Opfern heute
weniger von Konflikt und Animositaet als
unsere Beziehungen zu Nachbarstaaten in Asien
gekennzeichnet.
Die Art und Weise, wie ein Land mit der Vergangenheit
umgeht, wirft Schatten auf die heutige Gesellschaft.
Wenn unsere Beziehungen zu asiatischen Nachbarn
heute wegen des Geschichtsverstaendnisses
immer noch angespannt sind, mus bei uns in
den letzten 60 Jahren etwas schief gelaufen
sein.
Ausserdem stelle ich fest, dass unter den
asiatischen Laendern der starke politische
Wille fehlt, einen Konsens bezueglich Geschichte
zu erreichen.
Ich haette mir gewunscht, das ich Ihnen heute
uber den Erfolg der Aufarbeitung der Geschichte
in Asien berichten koennte. Stattdessen muss
ich Sie leider uber die Beispiele informieren,
wie schwer die Hypothek der Vergangenheit,
die unbearbeitet gelassen wird, die heutige
Gesellschaft belastet.
3
Die verhinderte Aufarbeitung der Vergangenheit
in Japan
3.1
Verschlechterung der Beziehung zu China und
Suedkorea durch Vergangenheit
Waehrend die wirtschaftlichen Beziehungen
zwischen China, Suedkorea und Japan heute
bluehen, hat die politische Beziehung einen
Tiefpunkt erreicht.
Im April 2005 haben zum Beispiel mehr als
20.000 Chinesen in Protest gegen das Verhalten
der japanischen Regierung zur Vergangenheit
demonstriert, die japanische Botschaft und
Generalkonsulate mit Stein beworfen und japanische
Geschaefte beschaedigt. In China sind normalerweise
solche Demonstrationen verboten, und diese
gewalttaetige Demonstration war offenbar
von der chinesischen Regierung geduldet.
Der Streit um das Geschichtsverstaendnis
hat die politische Beziehung zwischen China
und Japan vergiftet. Als der konservative
Ministerprasident Koizumi an der Macht war,
fanden gegenseitige Gipfeltreffen zwischen
China und Japan in ihren eigenen Laendern
6 Jahre lang nicht mehr statt, weil die chinesische
Regierung uber das Verhalten des japanischen
Spitzenpolitikers veraergert war.
Auch die Koreaner, ein anderes ehemaliges
Opfervolk, waren ueber das Verhalten der
japanischen Regierung veraergert. Im Jahr
2005 hat der suedkoreanische Praesident Roh
Moo-hyun in einem Interview mit der Frankurter
Allgemeine Zeitung schwere Vorwuerfe gegen
die japanische Regierung bezueglich Vergangenheitsverstaendnisses
erhoben.
Er sagte, dass die Japaner ihre frueheren
Agressionskriege weisswaschen, rechtfertigen
und glorifizieren wollen. Er hat ausdruecklich
die Aussoehnungsprozesse zwischen Deutschland
und anderen europaeischen Laendern gelobt
und erkennen lassen, dass er solche Prozesse
in Ostasien vermisst.
Die japanische Regierung hatte zusammen mit
Deutschland und anderen Laendern einen staendigen
Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen
angestrebt. China und Suedkorea waren logischerweise
total dagegen und haben dieses Streben vereitelt.
3.2 Streit um Yasukuni Schrein
Im Zentrum des Streits steht ein schintoistischer
Schrein in Tokio. Die Chinesen und die Koreaner
waren empoert, dass der damalige japanische
Ministerpraesident Koizumi, den Yasukuni
Schrein offiziell fuenfmal seit seinem Amtsantritt
in 2001 besucht hat.
In diesem Schrein sind ca. 2,5 Millionen
japanische Generaele, Offiziere und Soldaten,
die im Zweiten Weltkrieg und anderen Kriegen
gefallen sind oder hingerichtet wurden, als
Gott geehrt.
Was die Chinesen, die Koreaner und die anderen
ehemaligen Opfervoelker veraergert ist, dass
auch 14 japanische ranghohe Politiker und
Generaele, die von den Allierten als Kriegsverbrecher
verurteilt wurden, seit 1978 in diesem Schrein
als Gott geehrt sind.
Der letzte japanische Kaiser Hirohito war
anscheinend ungluecklich daruber, dass diese
14 ranghohen Kriegsbrecher in diesem Schrein
als Gott geehrt sind und hat deswegen seit
1975 diesen Schrein nicht mehr besucht.
Was ich besonders gefaehrlich finde ist das
Kriegsmuseum ?Yu-Shuu-kang neben dem Hauptgebaeude,
das diesem Schrein gehoert. Als ich letztes
Jahr das Museum besuchte, war ich entsetzt,
weil die Geschichte der Aggression durch
die japanische Armee in Ostasien verharmlost,
verzerrt und sogar als Befreiungskrieg Asiens
von europaeischer und amerikanischer Herrschaft
dargestellt war.
Wenn sich ein Asiate, der die Familienangehoerige
im Krieg verloren hat, oder von der japanischen
Armee misshandelt wurde, diese Ausstellung
anschauen sollte, wuerde er total verunsichert
sein, zu sehen, dass die juengste Vergangenheit
verschoenert und einseitig dargestellt ist.
Das Massaker in Nanking, wo japanische Soldaten
Tausende von chinesischen Buergern vergewaltigt
und getoetet hatten, wurde nur als ?Vorkommnisse
in Nankingg bezeichnet. Die Massentoetung
und ?vergewaltigung durch japanische Soldaten
sind gar nicht erwaehnt.
Die Ausstellung betont, wie tapfer und heldenhaft
japanische Soldaten gekaempft haben aber
schweigt, wieviele Ostasiaten und Kriegsgefangene
der Allierten Streitkraefte unter der Unterdrueckung
und der Greueltaten der Kaiserarmee gelitten
haben.
Im Museum habe ich auch eine Erklaerung gesehen,
dass Japan durch die wirtschaftliche Sanktion
der USA zum Krieg gezwungen wurde. Es ist
eine schlichtweg falsche Darstellung der
Geschichte.
Im Museum sind zahlreiche Kampfflugzeuge,
Panzer und Geschutze der alten japanischen
Armee ausgestellt. Ich war auch ueberrascht,
eine Dampflokomotive der beruechtigten Tai-Men
Eisenbahnlinie zu sehen.
Die japanische Armee hat ca. 60.000 britische
und australische Kriegsgefangene und 300.000
asiatische Zwangsarbeiter unter unmenschlischen
Arbeitsbedingungen eingesetzt, um innerhalb
von 16 Monaten eine Eisenbahnlinie von 415
Kilometer zwischen Thailand und Burma zu
bauen.
Wegen Erschoepfung und tropischen Krankheiten
sind mindestens 12.000 Kriegsgefangene und
90.000 asiatische Zwangsarbeiter ums Leben
gekommen. Fur Opfer ist diese Dampflokomotive
ein Symbol der menschenverachtenden Behandlung
durch die japanische Armee. Im Museum habe
ich keine Erklaerung gefunden, dass die Bauarbeit
dieser Eisenbahnlinie so viele Menschenleben
gekostet hat.
Ich moechte hervorheben, dass dieser Schrein
und das Museum keine staatliche, sondern
eine private Institution sind.
Ich finde es trotzdem nicht akzeptabel, das
ein japanischer Ministerpraesident den Schrein
besucht, auf dessen Gelaende ein Museum mit
einem revisionistischen Inhalt steht. Der
Besuch vermittelt anderen Asiaten den Eindruck,
dass die japanische Regierung den Aggressionskrieg
im Nachhinein fur richtig haelt.
Der Krieg des Wortes zwischen China und Japan
verschaerfte sich. Im Marz 2006 hat der chinesische
Aussenminister gesagt, das er kein Verstaendnis
habe, warum ein fuehrender japanischer Politiker,
gemeint ist der damalige Ministerprasident
Koizumi, so toericht und unmoralisch sein
kann.
Er verletze durch Besuch des Yasukuni Schreins
das Gefuehl der ehemaligen asiatischen Opfervoelker.
Er sagte, in Deutschland nach dem Krieg haetten
keine fuhrenden Politiker Hitler und andere
Nazi-Schergen verehrt.
Koizumi weiste die Kritik der Chinesen und
Koreaner zurueck und wiederholt immer, dass
er nur den Gefallenen eine Ehre erweisen
will, weil das moderne Japan auf ihrem Opfer
wiederaufgebaut wurde.
Fuer die konservative Partei LDP, den Koizumi
fuehrte, ist der Verband der Familienangehoerigen
der Kriegsgefallenen immer noch eine wichtige
Waehlerschaft. Bevor er zum Parteivorsitzenden
gewaehlt wurde, hatte er oeffentlich versprochen,
als offizielle Person den Yasukuni Schrein
zu besuchen, wenn er Ministerpraesident werden
wuerde. Koizumi geniesste in Japan hohe Popularitaet.
Im letzten September wurde er vom neuen Ministerprasidenten
Abe abgeloest.
Nachdem Abe gleich nach dem Amtsantritt China
und Sudkorea besucht hat, haben sich die
Beziehungen Japans mit diesen 2 Laendern
entspannt. Im Gegensatz zu Koizumi hat er
sein Verhalten zum Besuch zum Yasukuni Schrein
bisher verschwiegen, um die Nachbarlaender
nicht zu provozieren.
Es ist eine truegerische Ruhe, denn die Wurzel
der Konfrontation um die Vergangenheit ist
noch nicht beseitigt.
Abe hat zum Beispiel dieses Jahr versucht,
die Verwicklung der japanischen Armee bei
der Rekrutierung der asiatischen Zwangsprostituierten
waehrend des Zweiten Weltkrieges zu bestreiten.
Die japanische Regierung hatte 1993 zum ersten
Mal bestaetigt, dass die japanische Armee
bei der Rekrutierung der Zwangsprostituierten
involviert war und sich entschuldigt.
Nachdem Abe nicht nur von China und Suedkorea
sondern auch von den USA kritisiert wurde,
hat er diese Aussage zurueckgenommen.
Dieses Ereignis zeigt, dass er dem rechtskonservativen
Lager angehoert. Ich glaube, dass die Konfrontation
um die Vergangenheit in Zukunft wieder auftauchen
wird, so lange die Nachbarlaender und Japan
ueber dieses Problem nicht offen diskutieren.
3.3 Debatte um Schulbuch
Ein anderer wichtiger Streitpunkt zwischen
asiatischen Laendern und Japan sind die Geschichtsbuecher,
die in den Schulen verwendet werden. Im April
2001 hat das japanische Erziehungsministerium
ein neues Schulbuch fur den Geschichtsunterricht
der Mittelstufe genehmigt, das von rechtskonservativen
Autoren verfasst wurde. Diese Genehmigung
hat die Empoerung und den Protest von China
und Suedkorea hervorgerufen.
Dieses Schulbuch wurde von der ?Organisation
fur neue Geschichtsbucherg geschrieben.
Diese Organisation haben im Jahr 1997 rechtskonservative
Historiker gegruendet. Sie betrachten die
bisherige Geschichtsdarstellung in vielen
Schulbuechern als zu selbstkritisch und wollten
ein Schulbuch schreiben, das den Stolz auf
das eigene Land wecken soll.
Zum Beispiel ist das Massaker in Nanking
in diesem Schulbuch wie folgt kurz und verharmlost
dargestellt: ?Als die japanische Armee im
Dezember 1937 die Hauptstadt Nanking besetzt
hat, gab es viele Tote und Verletzte auch
unter der Bevoelkerung(Nanking Vorkommnis).g
Ausserdem behauptet dieses Schulbuch, dass
der Zweite Weltkrieg auch positive Auswirkungen
hatte. Es schreibt, dass ?der Sieg der japanischen
Streitkraefte am Anfang des Zweiten Weltkrieges
gegen die Amerikaner, Hollaender und Englaender
den Asiaten die Hoffnung auf die Unabhaengigkeit
von der Kolonialherrschaft der Weissen in
Zukunft gegeben hatte.g
Die meisten deutschen Schulbuecher schildern
die Gewaltherrschaft und Greueltaten der
Nazis detailliert und widmen fast 70 Seiten
der Zeit zwischen dem Aufstieg der NSDAP
und dem Untergang des Dritten Reichs.
Im Gegensatz dazu schildern alle japanischen
Geschichtsbuecher die Tatsache, dass Japan
Aggressor war, relativ kurz und knapp. Die
meisten Japanischen Schulbuecher widmen nur
noch 20 Seiten der Zeit zwischen dem Einmarsch
der Japaner in China und dem Ende des Zweiten
Weltkrieges. Die Details von Greueltaten,
Massaker, Vertreibungen, Massenhinrichtungen
durch die japanische Armee werden nicht erwaehnt.
Im Gegensatz zu Geschichtsunterricht in Deutschland
gibt es in Japan kaum Diskussionen waehrend
des Unterrichts. Die meisten Lehrer legen
mehr Wert darauf, dass die Schueler die Ereignisse,
die Personennamen und das Jahr auswendig
lernen, als ihre eigene Meinung zu geschichtlichen
Tatsachen zu bilden.
Eine Schulbuchkonferenz mit anderen Laendern
spielt meines Erachtens eine wichtige Rolle,
um einen Konsens im Geschichtsverstaendnis
zu erreichen.
Jedoch gibt es bei uns noch keine Schulbuchkonferenz
mit China. Japanische Historiker haben zwar
2001 endlich eine Arbeitsgruppe fur gemeinsame
Geschichtsforschung mit suedkoreanischen
Historikern gegruendet. Aber die Diskussion
steckt noch in der Anfangsphase.
Heikle Themen wie Zwangsprostitution der
Koreanerinnen wurden ausgeklammert, damit
sich die Diskussion nicht festfaehrt. Im
Vergleich zum Georg-Eckert Institut fur internationale
Schulbuchforschung, das vor 55 Jahren seine
Arbeit aufgenommen hat, haben die Japaner
meines Erachtens mit dieser wichtigen Arbeit
viel zu spaet angefangen.
Ich war vor kurzem ueberrascht zu hoeren,
dass die japanische Geschichte an den japanischen
Gymnasien kein obligatorisches Fach mehr
ist.
Es ist der Grund, warum die junge Generation
in Japan zu wenig ueber die Vergangenheit
informiert ist.
Auch in der Studentenbewegung der 60er Jahre
in Japan spielte die Aufarbeitung der Geschichte
ueberhaupt keine Rolle.
3.4 Geschichtsverstaendnis der Japaner
Warum haben wir Japaner lange versaeumt,
uns mit der Vergangenheit auseinander zu
setzen? Eine Antwort zu dieser Frage liegt
zum Teil in der Besatzungspolitik der Amerikaner
nach dem Zweiten Weltkrieg.
Der Oberbefehlshaber der Besatzungsmacht
Douglas McCarthur hat den japanischen Kaiser
Hirohito als Kriegsverbrecher nicht bestraft.
Dem Kaiser wurde zwar jegliche politische
Macht entzogen, aber er durfte als Symbol
des japanischen Staates seinen Posten behalten.
Stattdessen wurden 25 Generaele und Politiker
vom Internationalen Militaertribunal als
Kriegsverbrecher verurteilt, und 7 davon
wurden hingerichtet. Ausserdem wurden 980
japanische Offiziere und Soldaten wegen der
Greueltaten in verschiedenen asiatischen
Laendern als Kriegsverbrecher verurteilt
und hingerichtet.
Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges galt
der Kaiser nicht als Mensch sondern als Gott
und Vater des japanischen Volks. Die Amerikaner
dachten, dass sie Japan besser verwalten
konnen, wenn sie den Kaiser nicht bestrafen.
Sie sahen schon den neuen Feind am Horizont.
In China hatten die Kommunisten Oberhand,
und auch in Asien zeichnete sich der Kalte
Krieg ab. Die Amerikaner wollten Japan in
einen zuverlaessigen Buendnispartner und
ein Bollwerk gegen die kommunistische Bedrohung
umwandeln.
Diese Rechnung ging auf, und Japan ist heute
ein demokratischer Staat und einer der treuesten
Buendnispartner der USA. Die erfolgreiche
Besatzungspolitik hatte jedoch auch negative
Nachwirkungen. Der Kaiser war der Oberbefehlshaber
der japanischen Streitkraefte waehrend des
Krieges.
Weil er nicht bestraft oder abgesetzt wurde,
hat die japanische Gesellschaft von heute
eine staerkere Kontinuitaet der Vorkriegsgesellschaft
als in Deutschland. Der Bruch mit dem Vorkriegssystem
ist nicht so eindeutig wie in Deutschland.
Dieses Kontinuitaetsgefuhl schwaecht den
Willen, sich kritisch mit der Vergangenheit
auseinander zu setzen.
Ausserdem ist das Opfergefuehl unter der
Bevoelkerung viel staerker als das Gefuehl,
Taeter gewesen zu sein. Dieses Gefuehl ist
viel tiefer eingepraegt als bei den Deutschen.
Fast alle japanische Grossstaedte wurden
wegen des Luftangriffs der Allierten dem
Boden gleich gemacht. Wir sind das einzige
Volk in der Welt, das die Atomangriffe erlebt
hat. In Hiroshima und Nagasaki sind mindestens
340.000 Menschen umgekommen.
Bei uns gibt es immer noch stille und latente
Wut gegen die Amerikaner, uns zu Versuchskaninchen
der ersten Atomwaffe gemacht zu haben, obwohl
dieses Gefuehl nie oeffentlich zugegeben
wird. Auch dieses Erlebnis hat die Bereitschaft
geschwaecht, unsere eigene Vergangenheit
als Taeter proaktiv aufzuarbeiten.
Als ich 1989 die Gedenkstaette zum Atomangriff
in Hiroshima besucht habe, fuehlte ich mich
in zweifacher Hinsicht entsetzt und betroffen.
Erstens wurde ich von der menschlichen Tragoedie
und dem grossen Leiden, die die Buerger der
Stadt erleben mussten, ueberwaeltigt.
Unter den Exponaten sind zum Beispiel ein
Stuck Menschenhaut, die vom Atomstrahl verbrannt
wurde oder ein Fahrrad und eine Uhr, die
in der Hitze verschmolzen sind.
Auf der anderen Seite fand ich es problematisch,
dass die Darstellung der kausalen Zusammenhaenge
gefehlt hat. Ich habe damals keine Erklaerung
in der Gedenkstaette gefunden, dass es Japan
war, das den Krieg angefangen hat, wie der
Krieg im Pazifik zum Wurf der Atombombe gefuhrt
hat und welche Schaeden die japanische Armee
den anderen Laendern zugefugt hat.
Ich moechte allerdings betonen, dass die
Internetseite der Gedenkstaette zeigt, dass
heute Erklaerungen zu kausalen Zusammenhaengen
hinzugefuegt wurden, und die Ausstellung
weniger einseitig als vor 18 Jahren ist.
Diese Umstaende haben dazu gefuehrt, dass
die Japaner heute mehr um ihre eigenen Opfer
als die Opfer der anderen Laender trauern,
die sie ueberfallen haben.
Die Romane, Komikbuecher und Spielfilme,
die die Tapferkeit der eigenen Soldaten waehrend
des Zweiten Weltkrieges betonen, sind viel
erfolgreicher als die Buecher oder Filme,
die sich kritisch mit der Vergangenheit auseinandersetzen.
Nationalkonservative Zeitschriften und Verlage
sind populaerer als liberale Presse. Es gibt
latente Selbstzensur bei manchen Autoren
und Verlagen, weil man Angst vor Attentaten
und Schikanen der japanischen Rechtsradikalen
hat.
Auf den Strassen in Tokio sieht man oft die
olivgruenen Fahrzeuge der japanischen Rechtsradikalen,
die mit grossen Lautsprechern die Verlage,
Politiker oder Unternehmen kritisieren, die
sie fuer unpatriotisch halten.
Auch die Mentalitaet der Japaner spielt eine
Rolle. Die Japaner sind tendenziell pragmatisch
und legen einen grossen Wert darauf, negative
Erfahrungen in der Vergangenheit unter den
Teppich zu kehren und die Konfliktfreiheit,
Harmonie und Innovationen anzustreben.
Im Gegensatz dazu spielt die Geschichte fur
die Chinesen eine grosere Rolle als Orientierungsmodell
fuer heute als in Japan. Deswegen verstehen
viele japanische Politiker nicht, warum sich
chinesische Politiker hartnaeckig mit der
Vergangenheit beschaeftigen.
4 Japan muss handeln.
Ich moechte allerdings den Eindruck vermeiden,
dass sich die japanische Regierung noch nie
entschuldigt hat. 1993 hat der damalige japanische
Ministerpraesident Hosokawa zum ersten Mal
die Kriegsfuehrung der japanischen Armee
oeffentlich als ?ungerechte Aggressiong
kritisiert und das Bedauern ausgesprochen,
dass es unter den Asiaten viele Kriegsopfer
gab.
1995 hat der Ministerpraesident Murayama
die Schaeden und den Schmerz, die Japan asiatischen
Nachbarn zugefugt hatte, bedauert und sich
entschuldigt. Zum 50. Jahr nach der Niederlage
hat sich das Unterhaus des japanischen Parlaments
in einem offiziellen Beschluss die Aggression
durch die japanische Armee verurteilt und
die Schaeden und Schmerz, die anderen Asiaten
zugefuegt wurden, bedauert.
Aber diese beiden Politiker, die ein neues
Geschichtsverstaendnis gezeigt haben, sind
jetzt schon von der politischen Buhne zurueckgezogen
und haben leider keinen Einfluss auf die
Regierung mehr.
Der suedkoreanische Prasident Roh sagt jedoch
dazu: ?Es stimmt, dass Japan sich verschiedentlich
entschuldigt hat. Aber Ereignisse der juengsten
Zeit haben diese Entschuldigungen gleichsam
annulliert. Eine Entschuldigung ist nur in
dem Masse gultig, wie anschliessende Handlungen
sie nicht untergraben.g Die chinesische
und sudkoreanische Regierungen verlangen,
dass Japan mit entsprechenden Handlungen
unterstreichen soll, dass seine Entschuldigungen
in der Vergangenheit ernst gemeint waren.
China kritisiert Japan heftiger und lauter
als frueher, weil es eine grosse Wirtschaftsmacht
geworden ist. China hat 2004 als Exportnation
Japan ueberholt und ist der drittgroesste
Exporteur der Welt nach Deutschland und den
USA. In ein Paar Jahrzehnten wird es auch
an Bruttosozialprodukt Deutschland und Japan
ueberholen.
Eine Aufarbeitung der Vergangenheit wird
keinen Erfolg haben, wenn es auf Druck der
anderen Nation stattfindet. Es muss auf die
eigene Initiative hin passieren.
Ich bin eher pessimistisch und glaube nicht,
dass die japanische Regierung in naher Zukunft
anfangen wird, sich ernsthaft mit der Vergangenheit
zu beschaeftigen, weil man den Anschein vermeiden
will, dass Japan sich dem Druck der Chinesen
gebeugt hat. Ich spuere Angst der Japaner,
in Zukunft wirtschaftlich auf einen kleinen
Nachbarstaat Chinas zu schrumpfen. Nur damit
kann ich die Popularitaet der nationalkonservativen
Politiker bei uns erklaeren.
Gleichzeitig darf man nicht vergessen, dass
China noch kein demokratischer Staat mit
Meinungsfreiheit ist. Die Chinesen setzen
die Vergangenheit oft als Druckmittel ein.
Japanische konservative Intellektuelle kritisieren,
dass die chinesische Regierung mit patriotischer,
einseitiger Geschichtserziehung das Misstrauen
der chinesischen Bevoelkerung gegen Japan
schuert.
Dieser Character der chinesischen Gesellschaft
erschwert eine sachliche, emotionsfreie Diskussion
um geschichtliche Tatsachen erheblich. Zum
Beispiel gibt es zwischen China und Japan
immer noch keinen Konsens zur Zahl der Opfer
des Massakers in Nanking.
Waehrend japanische Forscher die Zahl der
Opfer auf knapp 50.000 schaetzen, behauptet
die chinesische Seite, das 300.000 Personen
umgebracht wurden. Meines Erachtens sind
50.000 schlimm genug. Revisionistische Autoren
in Japan, die das Ausmass des Massakers offentlich
bezweifeln, werden nicht strafrechtlich verfolgt.
Es mag sein, dass China die Vergangenheit
als Druckmittel in der Aussenpolitik benutzt.
Aber so lange wir Japaner mit der Aufarbeitung
der Vergangenheit nicht anfangen, bleiben
wir angreifbar und erpressbar, weil wir den
Chinesen als Beweis nicht zeigen koennen,
dass wir uns mindestens darum bemuehen, die
Vergangangenheit kritisch aufzuarbeiten.
Was ich bei der Diskussion in Asien besonders
vemisse, ist die Sicht der Opfer und die
Gespraeche zwischen den asiatischen Opfern
und den Japanern, was bei den Bemuehungen
zur Annaehrung unabdingbar ist.
Die Diskussionen sollten meines Erachtens
weniger von Staatschefs oder Aussenministern
und mehr von Historikern und Nichtregierungsorganisationen
gefuehrt werden. Wir Japaner sollten versuchen,
asiatischen Opfern intensiver zuzuhoeren.
Ein japanischer Ministerpraesident sollte
meiner Meinung nach nicht mehr den umstrittenen
Schrein als offiziele Person besuchen. Die
Regierung sollte eine getrennte Gedenkstaette
fuer alle Kriegsopfer des Zweiten Weltkrieges
einschliesslich asiatische Opfer bis auf
hingerichtete Kriegsverbrecher bauen, und
der Ministerprasident soll diese Gedenkstaette
besuchen, wenn er den Gefallenen die Ehre
erweisen will.
China und Suedkorea sollten den Ton der Kritik
entschaerfen und die Diskussion um ein gemeinsames
Geschichtsverstaendnis in einer Historikerkommission
mit den Japanern beginnen.
Insbesondere finde ich es wichtig, dass China,
Suedkorea und Japan einen Konsens zur Darstellung
der Geschichte im 19. und 20. Jahrhundert
im Schulbuch erreichen. Viele Japaner finden
die Geschichtsdarstellung im Schulbuch in
China und Suedkorea zu einseitig und emotionsgeladen.
Manchmal bedrueckt mich die lange Liste der
Hausaufgaben, die 60 Jahre lang unbearbeitet
liegen geblieben sind, und die wir Japaner
noch anpacken muessen. In Japan ist die Erinnerungskultur
noch kein fester Bestandteil der Politik
und Gesellschaft. Uns fehlt eine Nichtregierungsorganisation
wie Aktion Suehnezeichen.
Wir Japaner muessen uns jedoch beeilen. Je
laenger die Hypothek der unbearbeiteten Vergangenheit
liegen bleibt, desto groesser werden die
negativen Auswirkungen auf die heutige Gesellschaft.
Je weniger Augenzeugen und UEberlebende es
gibt, desto schwieriger wird die Diskussion
aus der Sicht der Opfer.
Wir muessen dem Anstieg des Nationalismus
in Japan und den anderen asiatischen Landern
so bald wie moeglich einen Riegel vorschieben.
In Japan behaupten manche konservative Politiker,
dass Japan zur Abschreckung Atomwaffen besitzen
soll. China und Nordkorea besitzen schon
Atomwaffen.
Wir wissen aus der Geschichte, dass das Aufflammen
des Nationalismus in meisten Faellen in eine
Katastrophe muendet, wie wir es hier in Auschwitz
sehen.
Vielen Dank fur Ihre Aufmerksamkeit.
Toru Kumagai